Montag, 3. Juni 2013

Bewerbungsfrustration- Wieso man nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen wird

Menschen bewerben sich für Jobs, werden aber selten oder nie zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Die wahren Gründe erfahren sie nur selten. Das Problem ist die fehlende Skandalisierung der wahren Hintergründe vieler Stellenausschreibungen.

Menschen unterschiedlicher Qualifikationen und Herkunft bewerben sich für unzählige Jobs. Sie sind ständig dabei, ihre Vitas zu perfektionieren. Sie holen sich Rat von „Experten“, machen alles, was in ihrer Macht steht, um eine Arbeit zu finden. In jede Bewerbung stecken sie Zeit, Arbeit und Hoffnung. Oft werden sie aber nicht einmal zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, obwohl in Deutschland angeblich Arbeits- und Fachkräftemangel herrscht.
Viele Bewerber suchen vergeblich nach den Gründen für ihr „Scheitern“. Sie wollen wissen, was sie „falsch“ gemacht haben, um ihre Bewerbung weiter zu optimieren. Hätten sie den einen oder anderen Satz doch nur anders ausgedrückt? Hätten sie den zweiten und dritten Absatz doch lieber ausgetauscht und sich nicht zu selbstbewusst präsentiert? Vielleicht waren sie aber auch nicht selbstbewusst genug. Wer sich mit diesen Details beschäftigt, kann eigentlich schon fast sicher sein, mehr richtig als falsch gemacht zu haben. In den meisten Fällen werden diese Bewerber keine ehrliche Begründung für die Ablehnung bekommen, weil es keine rationale Erklärung gibt.

Das eigentliche Problem sind weder die Bewerber noch die Bewerbungsmappen, es ist der kranke Arbeitsmarkt. Heute gehen pro Stellenausschreibung bis zu mehrere hundert Bewerbungen ein. Wenn Arbeitgeber trotzdem niemand finden können, die zu ihrer Vorstellung passen, spricht viel dafür, dass ihre Vorstellungen und Anforderungen unrealistisch oder schlicht vorurteilsbehaftet sind.

Minoritäten, Frauen und Ältere haben es besonders schwer
Besonders hart trifft das vor allem Menschen mit Migrationshintergrund, Frauen und Ältere. Wie die Antidiskriminierungsstelle des Bundes feststellt, kann schon ein „kurzer Blick auf den Namen, das Geschlecht oder das Alter“ genügen, um eine Bewerbung auszusortieren. Deshalb ist es sehr wichtig, persönliche Informationen wie Staatsangehörigkeit und auch Kinder, Ehestand nicht ohne Grund im Lebenslauf aufzuführen – auch wenn die Bundesagentur für Arbeit etwas anderes empfiehlt. Hinzu kommen muss natürlich, dass Personalverantwortliche über unconscious biases (unbewusste Vorurteile) aufgeklärt werden und Diversitysensibilitätstrainings in jedem Unternehmen selbstverständlich sein sollten.


Gute Stellen werden durch Netzwerke vergeben
Es gibt aber auch eine Reihe von anderen Gründen, die zur Ablehnung führen können. So werden gute Stellen etwa nicht durch Stellenausschreibungen, sondern durch Netzwerke vergeben. Deshalb ist es für Bewerber sehr wichtig, das „richtige“ Netzwerk aufzubauen und Kontakte zu knüpfen. Die richtigen Netzwerke – besonders für Hochqualifizierte – sind jedoch männlich, weiß und bevorzugen ihresgleichen. Deshalb auch der Ausdruck „good old boy network“ im Englischen, die den Zusammenhalt der Männer in Politik, Beruf sehr gut zum Ausdruck bringt.


Vortäuschen von Transparenz und Wettbewerb
Ein weiterer Grund ist: Viele Stellen, die ausgeschrieben werden, sind keine offenen Stellen, sondern dienen zum Vortäuschen von Transparenz und Wettbewerb. Wenn Stellen dennoch ausgeschrieben werden, geschieht das nur deshalb, weil sie ausgeschrieben werden müssen oder sollten – selbst dann, wenn der Arbeitgeber sich längst für jemand entschieden hat. Solche Ausschreibungen dienen nur der Vortäuschung von Transparenz und Wettbewerb. Damit soll der Anschein erweckt werden, als würden nur die qualifiziertesten Personen eingestellt. Das ist übrigens eine sehr gängige Methode, auch in den USA. Wenn sich jemand für diese Stelle bewirbt, bewirbt er sich nicht selten für eine Stelle, die es eigentlich gar nicht (mehr) gibt. Oft werden Stellen aber auch speziell nach einer bestimmten Person, die eingestellt werden soll, ausgeschrieben. In „höheren Etagen“ kommt es sogar vor, dass Stellen aus firmenpolitischen Gründen für eine ganz bestimmte Person geschaffen werden.


Leider werden Stellen auch zu Research-Zwecken ausgeschrieben; z.B. um einen Kandidatenpool für die Zukunft zu erstellen, Löhne zu senken und Informationen für eine mögliche Umstrukturierung des Unternehmens einzuholen. Die eingegangenen Bewerbungen dienen in diesen Fällen lediglich der Auswertung. Der Arbeitsuchende ist in diesem Fall ein kostengünstiges Testobjekt, der mit viel Mühe, Zeit und Geld eine Bewerbung zusammengestellt und Hoffnungen reingesteckt hat.